LAS Art Foundation

Interspecies Future

PODCAST

25 Aug. 2022

Unsere Erde kollabiert; die Menschheit ist indes die größte Bedrohung für sich selbst und alle anderen Spezies auf diesem Planeten. Sie hat ein neues geologisches Zeitalter ausgelöst: das Anthropozän, eine Epoche, die irreversibel von menschlicher Hand gezeichnet ist. Was kommt als Nächstes?

Wie sollen wir auf die verschwimmenden Grenzen zwischen Mensch, Natur und Technologie reagieren? Wie können wir uns von unserer menschenzentrierten Sichtweise lösen, um eine nicht-anthropozentrische Welt zu gestalten? Interspecies Future beschäftigt sich mit ebendiesen Fragen. Es ist ein gesellschaftlicher Aufbruch, um unsere Beziehung zu den Lebewesen dieser Erde neu zu bewerten und zu vertiefen.

Interspecies Future ist eine Bewegung, die die Rechte nichtmenschlichen Lebens auf der Erde stärken und dessen Möglichkeiten ausbauen will. Ihr Kern liegt dabei in disziplinübergreifender Arbeit. Die Bewegung bringt Forscher:innen und Organisationen aus Bereichen wie Biologie, Lebens- und Computerwissenschaften, Ethik und Politik sowie Tierrechten zusammen und verbindet sie mit indigenen Perspektiven und kreativer Praxis. Studien zeigen, dass neben diesen Disziplinen auch Technologie eine essentielle Rolle dabei spielen wird, speziesübergreifende Empathie zu fördern; dank künstlicher Intelligenz und Computing auf planetarischer Skala können sich Menschen die Erde als ein tief vernetztes Ganzes vorstellen. Solch interdisziplinäre Prozesse verankern das Denken über den Menschen hinaus auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.

„Das ganze Projekt des Fortschritts beruht auf dem Formulieren von Ideen, die durch diejenigen Denkmuster geprägt sind, die wir auflösen wollen. KI zwingt uns, uns diesem inhärenten Widerspruch des Fortschritts zu stellen.“

– Blaise Agüera y Arcas

Seit ihrer Gründung im Jahr 2019 treibt LAS die kollektive Auseinandersetzung mit der Rolle der Menschheit in dieser Welt voran, indem wir hybride Erfahrungen aus Kunst, Technologie und Wissenschaft kreieren. Wir möchten den Diskurs zum Verhältnis zwischen den Spezies mit einer kreativen, kritischen Dimension mitgestalten. Mit einem offenen Blick gegenüber technologischen Möglichkeiten wollen wir Kunst und innovative Technologien in eine Richtung lenken, die allen Spezies zugutekommt.

Einen Teil unseres Programms stellt daher die Erkundung einer mehr-als-menschlichen Zukunft dar. Im kommenden Frühjahr eröffnen wir die erste internationale Edition des Pollinator Pathmaker Gartens der britischen Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg. In einer Verbindung aus Kunst, Umweltwissenschaften und Aktivismus schafft dieses Werk ein internationales Netz aus Editionsgärten, die jeweils von einem Algorithmus so geplant wurden, dass sie optimal auf die Bedürfnisse von Bestäuberinsekten angepasst sind. Lokale Ökosystem-Expert:innen kuratieren dafür eine Pflanzenliste, die die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt. Die jeweils erstellten Listen dienen als Basis für die Editionsgärten und sind anschließend online für die Planung weiterer Gärten frei zugänglich. So trägt Pollinator Pathmaker den speziesübergreifenden Ethos des kreativen Prozesses über die Grenzen der individuellen künstlerischen Praxis und der Kunstinstitutionen hinaus.

Manchmal benötigt die Vision von einer gemeinsamen Zukunft aller Spezies auch einen Blick in die Vergangenheit. So unternahm Jakob Kudsk Steensen in seiner von LAS beauftragten Ausstellung Berl-Berl (2021) eine multimediale Reise in die ehemaligen Sumpflandschaften Berlin-Brandenburgs. Mit neuester Makro-Photogrammetrie-Technologie untersuchte und dokumentierte der dänische Künstler das kaum beachtete Ökosystem, das als Gletschertal vor rund 10.000 Jahren entstand. Seine Funde verwandelte Kudsk Steensen mittels der Videospiel-Engine Unreal in eine kaleidoskopische audiovisuelle Installation. Die sich stets wandelnden Projektionen der heimischen Flora und Fauna machen Berl-Berl zur Begegnung mit der ökologischen Vergangenheit der Sumpflandschaften – in Echtzeit erleben wir unsere Beziehung zur nichtmenschlichen Welt.

„Wenn wir in Form von wirtschaftlichen Anreizen denken, sollten wir auch darüber nachdenken, was das bedeutet, zu welchem Zweck und für wen? Vielleicht geht es nicht um einen direkten Ertrag innerhalb einer Generation, sondern darum zu verstehen, wie wir etwas für viele nachfolgende Generationen bewahren können.“

– Amelia Winger-Bearskin

LAS' Interspecies Future Podcast ist ein weiterer integraler Teil unseres auf Engagement ausgelegten Programms und baut auf unserem kürzlich gehaltenen IF Symposium auf. In der ersten Episode werden die Ziele und Prinzipien speziesübergreifender Arbeit diskutiert, während sich in der zweiten damit beschäftigt wird, welche Herausforderungen die Zusprechung von Rechten für nichtmenschliche Spezies mit sich bringt. Dafür benötigt es eine ausgeprägte Sensibilität gegenüber nichtmenschlichem Leben. In der dritten Episode wird gefragt, wie Robotik, Satellit- und Molekular-Sensorik genutzt werden können, um nichtmenschliche Welten zu übersetzen und abzubilden. Grundlage dessen ist ein genaues Verständnis davon, wie KI im Laufe der Geschichte verwendet wurde, um die Natur zu simulieren und zu modellieren. In der vierten Episode wird dieses zentrale Thema vertieft. Wir freuen uns, unsere Interspecies Future gemeinsam mit diesen Kollaborateur:innen zu erkunden.

Podcast

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Episode 1

Eine Einführung in Interspecies Future mit K Allado-McDowell und Jonathan Ledgard

In der ersten Folge hören wir von zwei Vorsitzenden des Interspecies Future Symposiums, K Allado-McDowell und Jonathan Ledgard. Wir geben einen Überblick, wie sich die Bewegung entwickelt hat und wohin sie uns führen wird. Unsere Gäste erläutern den allgemeinen Ansatz der Interspecies Future Bewegung, ihre Ziele und Werte sowie die Disziplinen, die sich in ihr vereinen.

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Episode 2

Speziesübergreifendes Zusammenleben organisieren: Ordnungspolitik, Aktivismus, DAOs mit Patrick Rawson und Amelia Winger-Bearskin

Der Einsatz von KI zur Unterstützung nichtmenschlicher Lebewesen benötigt die Beteiligung großer Organisationen, sowohl aus wissenschaftlich-technischen als auch aus dem gesellschaftlich-ordnungspolitischen Bereich sowie der lokalen Gemeinschaften. Für die Organisation und Operationalisierung dieser neuen Disziplin braucht es einen Rahmen, in dem wir verstehen können, welche Rechte Nichtmenschen zukommen. Unsere Formulierung dieser Rechte hängt davon ab, wie wir die Beziehung zwischen den Spezies und gesellschaftliche Strukturen denken, und wie wir nichtmenschliches Leben in Zeiten von Klimawandel und Artensterben vertreten. In dieser Folge sprechen wir mit Patrick Rawson, Web3-Fürsprecher und Gründer von Curvelabs, sowie Amelia Winger-Bearskin, Banks Family Preeminence Endowed Chair für Künstliche Intelligenz und Kunst, Digitale Kunst und Wissenschaft an der University of Florida, Digital Worlds Institute.

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Episode 3

Die Beziehung zwischen den Spezies wahrnehmen mit Martin Wikelski und Xiaowei Wang

Um die Beziehung zwischen Menschen und Nichtmenschen durch neue Technologien und Formen des Zusammenlebens neu zu gestalten, müssen wir sie zunächst wahrnehmen und verstehen können. Während die naturalistische Wissenschaft mit verschiedenen menschlichen und technischen Mitteln bereits ihren Beitrag geleistet hat, eröffnen die Entwicklungen in Robotik sowie Satellit- und Molekular-Sensorik eine deutlich bessere Möglichkeiten der Erfassung und Darstellung nichtmenschlichen Lebens. Was diese Technologien für die Übersetzung der nichtmenschlichen Welt bedeutet, besprechen wir in dieser Folge mit Martin Wikelski, Direktor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und Professor der Biologie an der Universität Konstanz, sowie Xiaowei Wang, New Media-Künstlerin, Autorin und Veranstalterin.

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Episode 4

Speziesübergreifendes Denken: KI und kollektive Intelligenz mit Blaise Agüera y Arcas und Kate Devlin

Wir beginnen mit der These, dass KI ein neues Verhältnis zwischen Menschen, Nichtmenschen und Technologie begünstigen kann. Basis dessen ist sensing, das benötigt wird, um Daten zu generieren, aus denen KI lernen kann. Dafür müssen wir KI jedoch zunächst als Möglichkeit verstehen, die der Beziehung zwischen Spezies einen Rahmen geben kann. Darüber sprechen wir in dieser Folge mit Blaise Agüera y Arcas, VP und Fellow bei Google Research, der in der Forschung und Produktentwicklung im Bereich KI arbeitet, und Kate Devlin, Dozentin für Künstliche Intelligenz & Gesellschaft am Institut für Digital Humanities des Kings College London.

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Episode 5

Wie wir uns nichtmenschliche Welten vorstellen (Teil 1) mit Bettina Kames und Alexandra Daisy Ginsberg

Technologien und gesellschaftliche Strukturen müssen erdacht werden, bevor sie Realität werden – unsere Gedankenwelt bestimmt, was wir erschaffen können. Die Aufgabe von Kunstschaffenden liegt darin, ihre Vorstellungskraft spürbar zu machen, neue Welten durch sinnliche Erlebnisse zu kreieren. Dafür ist es unerlässlich, dass neue technologische und organisatorische Initiativen den Kontakt zu Künstler:innen suchen. Während uns die Vision der Interspecies Future herausfordert, unsere sinnlichen und geistigen Horizonte zu erweitern und Platz für neue Strukturen zu schaffen, helfen uns Künstler:innen uns vorzustellen, wie sich eine nicht-anthropozentrische Welt anfühlen könnte, was es bedeutet, ein Subjekt in dieser Welt zu sein, und welche neuen Möglichkeiten sich auszudrücken und zu kommunizieren sich dadurch eröffnen. Darüber spricht die Direktorin von Light Art Space, Bettina Kames, mit der Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg.

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Episode 6

Wie wir uns nichtmenschliche Welten vorstellen (Teil 2) mit Stanley Qiufan Chen und Jakob Kudsk Steensen

Auch diese Folge beschäftigt sich mit der kreativen Erkundung unserer Interspecies Future. In ihrem Gespräch stellen der Science-Fiction-Autor Stanley Qiudan Chen und der Künstler Jakob Kudsk Steensen fest, dass es neuer Formen der Kommunikation bedarf, um die Speziesgrenzen zu überwinden. Sie verbinden dieses Konzept mit ihrer jeweiligen Praxis, in der sie multidisziplinär kommunizieren. Außerdem sprechen Chen und Steensen über KI und wie sie unsere Beziehung zu anderen intelligenten Wesen beeinflusst. Sie erkunden Narrative und Alternativen zu der linearen Logik durch neue Rhythmen – sowohl im buchstäblichen als auch im metaphorischen Sinne – und die Bedeutung von Intersubjektivität. Indem wir andere Welten mithilfe von Mythologie, Wissenschaft, Technologie, Raum und Klang zum Leben erwecken, nähern wir uns dem kollektiven Aufbruch in die Interspecies Future. Teil dieser Folge ist auch ein Ausschnitt von Re-Animated, ein Kunstwerk von Jakob Kudsk Steensen. Darin ist der Ornithologe Douglas H. Pratt zu hören sowie der Ruf des Vogels Kaua’iʻōʻō, dessen Aufnahme vom Cornell Laboratory of Ornithology zur Verfügung gestellt wird.

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Episode 7

Highlights des Interspecies Future Symposiums

Diese Folge ist ein Zusammenschnitt der aus dem Interspecies Future Symposiums, das im Juli 2022 im Museum für Naturkunde Berlin stattfand. Die Veranstaltung versteht sich als Auftakt einer jahrzehntelangen gesellschaftlichen Reise, auf der wir speziesübergreifendes Denken als Disziplin definieren, und hat Wege aufgezeigt, wie wir KI in Richtung der Natur weiterentwickeln können. In vier Podiumsdiskussionen wurden unter anderem die Bedeutung von Empathie gegenüber nichtmenschlichen Lebewesen, Open-Access-Daten, neue Modellierung in der KI, verwandtschaftliche Beziehung zur nichtmenschlichen Welt und Rechte der Natur thematisiert.

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Episode 8

Episode 8: Interspecies Future: Wege in die Zukunft mit Ted Schmitt and Andrea Leiter

Es ist offenkundig, dass speziesübergreifende Arbeit komplex und vielfältig ist, und es dafür einen interdisziplinären Zusammenschluss der menschlichen wie nichtmenschlichen Welt braucht. Diese Episode beschäftigt sich mit Richtungen, die wir einschlagen können, und reflektiert dabei über Technologien und Ressourcen, sowie über die Herausforderungen, vor denen wir stehen, und wie wir diese bewältigen können, um so die speziesübergreifende Arbeit voranzutreiben. Die Themen reichen dabei von Systemdenken und -wandel bis hin zur kleinskaligen Token-Ökonomie. Besprochen werden sie von Ted Schmitt, Leitung Konservation am Allen Institute of AI, und Andrea Leiter, Forschungsleitung der Sovereign Nature Initiative.